Kurzarbeit im ORF
Kurzarbeit im ORF
Blogeintrag von Golli Marboe, 30. April 2020
Antrag für die Tagesordnung der Präsidiale des Publikumsrates zur Kurzarbeit, uA im ORF
Sehr geehrter Vorsitzender der Präsidiale,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
mit der Bitte um Ergänzung auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung (14.Mai) der Präsidiale des Publikumsrates möchte ich untenstehendes Thema übermitteln.
Mit der damit zusammenhängenden Frage in welchem Ausschuss diese Frage weiter behandelt werden soll – im Finanzausschuss, im Qualitätsausschuss, Im Unternehmens und Medienstrategischen Ausschuss, im Programmausschuss oder vielleicht am besten im Plenum als eigene Anfrage:
Die Journalistinnen und Journalisten vom Küniglberg leisten dieser Tage großartige Arbeit, dennoch:
Einige Meldungen aus dem ORF klingen durchaus verstörend
Soll denn dieses Medienhaus – das als öffentlich rechtliches Unternehmen der Republik gehört und darüber hinaus zu ungefähr 80% auch von den Gebührenzahlern finanziert wird – nun auch noch um Kurzarbeit ansuchen?
Irgendwie fühlt sich das so eigenartig an?
Oder die medienwirksam in Szene gesetzte Isolation der ZIB Mannschaft.
Diese erinnert an Hollywoodfilme, in denen sich der Präsident mit seinem Stab aus Angst vor Terroristen in einen unterirdischen Bunker zurückzieht.
Warum bewerkstelligen die Journalistinnen im Radio die Herausforderungen des Virus denn eigentlich anders?
Dazu der kolportierte Erlass, dass es ORF Mitarbeitern nicht mehr erlaubt sei in deren Privatzeit einer ehrenamtlichen Tätigkeit (bspw beim Roten Kreuz) nachzugehen?
Wird hier von einem öffentlich rechtlichen Unternehmen tatsächlich eine „Entsolidarisierung per Verordnung“ ausgesprochen ?
Aber vielleicht wurde der Verzicht auf ehrenamtliche Tätigkeiten nur für jene Journalistinnen empfohlen, die konkret für die Informationssendungen arbeiten?
Irgendwie klingt das alles nach recht viel Aktionismus.
Und werden diese von der Geschäftsführung angeordneten Einschränkungen der persönlichen Bürgerrechte ihrer Mitarbeiter nicht damit begründet, dass der ORF eben eine systemrelevante Einrichtung unseres Landes darstellt?
Aber was wäre, wenn ein systemrelevantes und außerdem ja im Besitz von uns allen Bürgern stehendes Unternehmen seine Mitarbeiter in solchen Tagen eben gerade nicht in Kurzarbeit schickt?
Vielleicht hätte man sich für die eine oder andere Entscheidungsfindung etwas mehr Zeit nehmen sollen:
denn warum nützt der ORF die Umstände nicht für Weiterbildung und oder Umschulung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Oder gar für die Entwicklung von neuen nächsten Programmformaten!
Beispiel ORF III
der bekanntlich sowieso unterfinanzierte Kultur- und Informationskanal könnte weitere Ressourcen (wenn auch nur auf Zeit) doch gut brauchen!
Warum werden Kolleginnen aus dem Bereich der Kultur – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – nicht mit der Entwicklung neuer Sendeformate zu den Themenfeldern Architektur, urbane Kunstformen, Bildende Kunst, neue junge europäische Künstlerinnen, experimentelle Musik, Philosophie, Kunsthochschulen oder mit Überlegungen zu hybriden TV – Audio – Online Formaten betraut?
ORF für junges Publikum
Etwaige Kolleginnen aus dem Bereich der TV Unterhaltung – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – könnten in Zusammenarbeit mit Kolleginnen aus den anderen Ressorts dazu angehalten werden zu recherchieren und zu entwickeln, wie ein dem ARD ZDF Online Portal funk.netähnliches Angebot auch im ORF entstehen könnte?
Breitensport statt Live Events
Warum werden die Kolleginnen aus der Sport Redaktion – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – nicht dazu ermutigt über Sport bezogene Reportage und Dokumentationsformate nachzudenken?
Es könnte um ethische Fragen im Umgang mit Spitzensport gehen, es könnte um die Bedeutung des Sports in Politik und Geschichte gehen, es könnte um die effektive Vermittlung von Randsportarten gehen.
Es könnte um die Entwicklung von TV, Audio und Onlineformate gehen, die in Quizform, in Porträts, in Streitgesprächen, in investigativer Form, uvam gehalten sind.
Und vorallem – dem Geist des ORF Gesetzes folgend – um die Entwicklung weiterer Formate, die aus „couch potatoes“ wieder „Ilse Buck Follower“ werden lassen.
Denn der ORF Sport muss doch in Zeiten ständig steigender Lizenzpreise für Liverechte von Sportgroßereignissen sowieso über alternative und öffentlich rechtlich adäquate Inhalte nachdenken.
Jetzt könnten die Kapazitäten dafür genützt werden.
Personal aus Marketing, Event und Werbevermarktung.
Warum werden diese Kolleginnen und Kollegen – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – nicht dahingehend angehalten, dass sie Events entwickeln, die sich mit Medienkompetenz für Schulen und den Bereich der Erwachsenenbildung beschäftigen?
Z.B. wie der ORF in Zeiten der Falschmeldungen in sozialen Medien einen nachhaltigen Beitrag zur redaktionellen Kompetenz in unserer Gesellschaft leisten kann?
Etwaige Freistellungen im Bereich der Technik.
Warum werden etwaige Cutter, Kameramänner oder Tonmeister – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – in diesen Tagen nicht dazu weiter gebildet in Zukunft auch Drehs und Lehrgänge mit jungen Menschen und ganzen Schulklassen abhalten zu können? Die Weitergabe, wie Technik in Medien funktioniert als öffentliche Aufgabe!
Und für all jene die dann noch Zeit zum Nachdenken, oder zum Produzieren in den ORF intern vorhandenen Räumlichkeiten hätten, wäre der Aufbau einer „Erklärfilme Bibliothek“ nach dem Vorbild der ARD tagesschau Sammlung #kurzerklärt ebenfalls ein Gebot der Stunde.
Von Kooperationsabkommen mit unseren europäischen Nachbarn ganz zu schweigen.
Oder von der Untertitelung vorhandener Sendungen.
Man könnte mit möglicherweise vorhandenen Ressourcen gerade in diesen Tagen die ORF Programme endlich barrierefrei für Seh- und Höreingeschränktes Publikum ausstrahlen.
Neue Produktionsverträge mit Kreativen
Schließlich könnten die Mitarbeiterinnen der Buchhaltungs- und Vertragsabteilungen – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – die Zeit nützen, um den österreichischen Kreativen in der Filmwirtschaft – von der Drehbuchautorin bis zu den Produzentinnen – dadurch existentiell zu helfen, indem geplante Produktionen möglichst zeitnah vertraglich fix vereinbart werden.
Damit könnte die Kreativ Branche zumindest ein wenig Hilfe bekommen. Einerseits durch tatsächlich geleistete Anzahlungen des ORF und andererseits durch eine konkrete Zukunftsperspektive für die Tage nach der Krise.
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In diesem Sinne verbleibe ich mit der Bitte bei etwaigen Fragen einfach eine Nachricht zu senden und mit allen guten Wünschen für diese speziellen Tage,
Ihr / Euer
Golli Marboe