Was man abseits der völlig gerechtfertigten Begeisterung für die Journalistinnen der Nachrichtensendungen sonst so über den ORF liest, stimmt nachdenklich!

Was man abseits der völlig gerechtfertigten Begeisterung für die Journalistinnen der Nachrichtensendungen sonst so über den ORF liest, stimmt nachdenklich!

Blogeintrag von Golli Marboe, 02. April 2020

Die Journalistinnen und Journalisten vom Küniglberg leisten dieser Tage großartige Arbeit.
Dennoch: einige Meldungen aus dem ORF verstören doch ein wenig:
Soll denn dieses Medienhaus, dass als öffentlich rechtliches Unternehmen der Republik gehört und darüber hinaus zu ungefähr 80% auch von den Gebührenzahlern finanziert wird nun auch noch um Kurzarbeit ansuchen.
Irgendwie fühlt sich das so eigenartig an?
Oder die medienwirksam in Szene gesetzte Isolation der ZIB Mannschaft. Diese erinnert an Hollywoodfilme, in denen sich der Präsident mit seinem Stab aus Angst vor Terrorismus in einen unterirdischen Bunker zurückzieht.
Warum bewerkstelligen die Journalistinnen im Radio die Herausforderungen des Virus denn eigentlich anders?
Dazu der kolportierte Erlass, dass es ORF Mitarbeitern nicht mehr erlaubt sei in deren Privatzeit einer ehrenamtlichen Tätigkeit (bspw beim Roten Kreuz) nachzugehen –
wird hier von einem öffentlich rechtlichen Unternehmen tatsächlich eine „Entsolidarisierung per Verordnung“ ausgesprochen?
Aber vielleicht wurde der Verzicht auf ehrenamtliche Tätigkeiten nur für jene Journalistinnen empfohlen, die konkret für die Informationssendungen arbeiten? Irgendwie klingt das alles nach recht viel Aktionismus.
Und werden diese von der Geschäftsführung angeordneten Einschränkungen der persönlichen Bürgerrechte ihrer Mitarbeiter nicht damit begründet, dass der ORF eben eine systemrelevante Einrichtung unseres Landes darstellt?
Aber was wäre, wenn ein systemrelevantes und außerdem ja im Besitz der Republik stehendes Unternehmen seine Mitarbeiter in solchen Tagen eben gerade nicht in Kurzarbeit schickt?
Vielleicht hätte man sich für die eine oder andere Entscheidungsfindung etwas mehr Zeit nehmen sollen:
denn warum nützt der ORF die Umstände nicht für Weiterbildung und oder Umschulung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Oder gar für die Entwicklung von neuen nächsten Programmformaten!

Beispiel ORF III
der bekanntlich sowieso unterfinanzierte Kultur- und Informationskanal könnte weitere Ressourcen (wenn auch nur auf Zeit) doch gut brauchen!
Warum werden Kolleginnen aus dem Bereich der Kultur – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – nicht mit der Entwicklung neuer Sendeformate zu den Themenfeldern Architektur, urbane Kunstformen, Bildende Kunst, neue junge europäische Künstlerinnen, experimentelle Musik, Philosophie, Kunsthochschulen oder mit Überlegungen zu hybriden TV – Audio – Online Formaten betraut?

ORF für junges Publikum
Etwaige Kolleginnen aus dem Bereich der TV Unterhaltung – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden - könnten in Zusammenarbeit mit Kolleginnen aus den anderen Ressorts dazu angehalten werden zu recherchieren und zu entwickeln, wie eine dem ARD ZDF Online Portal funk.net ähnliches Angebot auch im ORF entstehen könnte?

Breitensport statt Live Events
Warum werden die Kolleginnen aus der Sport Redaktion – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – nicht dazu ermutigt über Reportage und Dokumentationsformate nachzudenken?
Es könnte um ethische Fragen gehen, es könnte um die Bedeutung des Sports in Politik und Geschichte gehen, es könnte um die Vermittlung von Randsportarten gehen.
Es könnte um die Entwicklung von TV, Audio und Onlineformate gehen, die in Quizform, in Porträts, in Streitgesprächen, in investigativer Form, uvm. gehalten sind. Und vor allem – dem Geist des ORF Gesetzes folgend – um die Entwicklung weiterer Formate, die aus „couch potatoes“ wieder „Ilse Buck Follower“ werden lassen.
Denn der ORF Sport muss doch in Zeiten ständig steigender Lizenzpreise für Liverechte von Sportgroßereignissen sowieso über alternative und öffentlich rechtlich adäquate Inhalte nachdenken.

Jetzt könnten die Kapazitäten dafür genützt werden.
Personal aus Marketing, Event und Werbevermarktung.
Warum werden diese Kolleginnen und Kollegen – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – nicht dahingehend angehalten, dass sie Events entwickeln, die sich mit Medienkompetenz aus ORF Know How zum Einsatz in Schulen und in der Erwachsenenbildung her formulieren?
Wie kann der ORF in Zeiten der Falschmeldungen in sozialen Medien einen nachhaltigen Beitrag zur redaktionellen Kompetenz in unserer Gesellschaft leisten? Etwaige Freistellungen im Bereich der Technik.

Warum werden etwaige Cutter, Kameramänner oder Tonmeister – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – in diesen Tagen nicht dazu weiter gebildet in Zukunft auch Drehs und Lehrgänge mit jungen Menschen und ganzen Schulklassen abhalten zu können? Die Weitergabe, wie Technik in Medien funktioniert als öffentliche Aufgabe!
und für all jene die dann noch Zeit zum Nachdenken, oder zum Produzieren in den ORF intern vorhandenen Räumlichkeiten hätten, wäre der Aufbau einer „Erklärfilme Bibliothek“ nach der Vorbild der ARD Tagesschau Sammlung #kurzerklärt ebenfalls ein Gebot der Stunde.

Neue Produktionsverträge mit Kreativen
Ganz abgesehen davon, dass die Mitarbeiterinnen der Buchhaltungs- und Vertragsabteilungen – die möglicherweise jetzt in Kurzarbeit geschickt werden – die Zeit nützen könnten den österreichischen Kreativen in der Filmwirtschaft, von der Drehbuchautorin bis zu den Produzentinnen dadurch helfen geplante Produktionen möglichst zeitnah vertraglich zu vereinbaren.
Damit könnte die Branche zumindest ein wenig Hilfe bekommen. Einerseits durch tatsächlich geleistete Anzahlungen des ORF und andererseits durch eine konkrete Zukunftsperspektive für die Tage nach der Krise.

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