Die „Partei der Einzelfälle“ trägt jetzt türkis

Die „Partei der Einzelfälle“ trägt jetzt türkis

Blogeintrag von Golli Marboe, 22. Juni 2020

Viele Jahrzehnte hielten uns verhaltensauffällige Persönlichkeiten der FPÖ und deren entsprechende Einzelfälle in Atem.

Nicht ganz eineinhalb Jahre hat dann Sebastian Kurz solche Einzelfälle der Freiheitlichen ausgehalten bis dann das Ibiza Video ein Ende dieser Regierung zur Folge hatte.

Als Reaktion auf das Scheitern dieser Koalition möchte die türkise ÖVP die „dritte Kraft im Land“ vergessen machen und möglichst viele blaue Wähler dauerhaftan sich binden.

Offenbar nicht nur mit entsprechenden politischen Positionen, wie zur Zukunft der EU oder der strikten Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen; sondern sichtlich auch mit der damit verbundenen Themenführerschaft durch Schlagzeilen. Schlagzeilen zu türkisen „Einzelfällen“.

So geschehen, wenn ein Mitarbeiter der ÖVP vor dem Misstrauensantrag gegen die Regierung im Mai 2019 fünf Festplatten des Kanzleramts unter Umgehung des üblichen Dienstwegs im Kanzleramt und ohne die Rechnung zu bezahlen bei einer externen Firma „schreddern“ lässt – ein Einzelfall.

Wenn Sebastian Kurz meint, dass es nicht so wichtig ist, dass ein Gesetz auch vor der Justiz stand hält: “Ob das alles auf Punkt und Beistrich in Ordnung war oder nicht, das wird dann am Ende des Tages der Verfassungsgerichtshof entscheiden, aber wahrscheinlich zu einem Zeitpunkt, wo die Maßnahmen gar nicht mehr in Kraft sind.” – ein Einzelfall.

Wenn Karl Nehammer in seiner Funktion als Innenminister Werkzeug zur Hand nehmen möchte, in einer Art, wie sein Vorvorgänger Herbert Kickl es kaum plastischer hätte formulieren können: “Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheitsbehörden, um die Infektionskette rasch zudurchbrechen.” – ein Einzelfall.

Wenn Sebastian Kurz unserem südlichen Nachbarn Italien (dem beliebtesten Urlaubsziel der Österreicher, dem zweitwichtigsten Handelspartner des Landes und damit auch dem uns doch so besonders verbundenen Südtirol) seine Solidarität anbietet, indem er es als solidarisch bezeichnet Kredite zu ermöglichen, aber nicht rückzahlbare Zuschüsse strikt ablehnt – ein Einzelfall.

Wenn Arbeitsministerin Christine Aschbacher einem Baby tatsächlich einen 100 Euro Schein in die Hand zu drücken versucht. Hatte nicht Jörg Haider auf Kärntner Volksfesten Bargeld verteilt? – ein Einzelfall.

Wenn Sebastian Kurz keine hundertstel Sekunde zögert mit einem klaren „natürlich nicht“, zu antworten, als er danach gefragt wurde , ob Österreich dem Beispiel des deutschen Innenministers Horst Seehofer folgen, und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen möchte – ein Einzelfall.

Wenn Landeshauptmann Stellvertreter Josef Geisler die WWF Aktivistin Marianne Götsch „widerwärtiges Luder“ nennt – ein Einzelfall.

Wenn Sebastian Kurz und seine Fans sich im Kleinwalsertal nicht an jene Regeln halten, die der Bundeskanzler davor und danach in unzähligen Pressekonferenzen verkündet hatte – ein Einzelfall.

Wenn die Frauenministerin, Susanne Raab betont keine Feministin sein zu wollen – ein Einzelfall.

Etc … die Häufigkeit der „Einzelfälle“ ist beeindruckend ….

Immer wieder wird gemunkelt, dass Sebastian Kurz auch diese Koalition platzen lässt, sobald die Chance auf andere Mehrheiten oder gar auf eine Absolute sich eröffnen würde.

Aber vielleicht kommt ja alles ganz anders und die Grünen trennen sich von den Türkisen?

Denn wie lange erträgt der Juniorpartner mit seiner bürgerbewegten Klientel diese immer länger werdende Liste von Auffälligkeiten in der ÖVP?

Man erinnere sich an Sebastian Kurz, den nach eigenen Angaben die Einzelfälle der FPÖ viel Kraft gekostet haben……

Vielleicht kommt alles ganz anders und Sebastian Kurz sieht sich einer Mehrheit jener Parteien gegenüber – die zwar natürlich auch Fehler machen, die sich ebenfalls in die eine oder andere Peinlichkeit verstricken – aber eben dabei nicht so ungebrochen selbstbewusst und wohl auch selbstgefällig auftreten.

Möglicherweise entsteht ja perspektivisch eine Mehrheit ohne die Parteien mit Einzelfällen, also ohne die FPÖ, ohne die Türkisen und ohne diejenigen, die sich rund um Strache sammeln.

Und so eine Mehrheit neben den Parteien mit den Einzelfällen, muss nicht nur aus SPÖ, Grünen und Neos bestehen: vielleicht gibt es ja früher als man denkt auch wieder eine schwarze ÖVP.

Einer gar nicht so kleinen Zahl christlich sozial denkender Menschen würde ein Stein von Herzen fallen, wenn der türkise Einzelfall dann auch irgendwann wieder vorbei wäre.

PS: Einer der vielleicht kuriosesten aller Einzelfälle scheint sich jedenfalls in Bälde zu wiederholen: denn Kanzler Kurz möchte Präsident Trump wohl ein zweites Mal besuchen.

So wird dieser Einzelfall also zur Wiederholungstat.

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