Bestenfalls ein erster Schritt

Zielgerade fürs neue ORF-Gesetz. Ansätze darin gehen in die richtige Richtung. Um der Demokratie willen ist die Silberner Bär Politik beim ORF weiter gefordert. Ein Gastkommentar.

Dieser Tage hat das neue ORF-Gesetz den Ministerrat passiert. Die beiden Kernpunkte betreffen einerseits die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Angebots, die zukünftig als Haushaltsabgabe organisiert wird. Das bedeutet für die GIS-Zahler(innen) eine Senkung des monatlichen Beitrags von 18,59 auf 15,30 Euro. Der zweite wesentliche Punkt des Gesetzes betrifft die technischen Distributionswege des ORF: Bisher war es dem ORF (von wenigen Ausnahmen abgesehen) verboten, neben Radio und TV eigens für die digitale Onlinewelt ausgerichtete Programme herzustellen. Das wird nun anders, und das ist auch gut so. Denn in einer Welt von Streamingdiensten und Social Media war es schon seit Langem ein Anachronismus, dass das in Österreich mit Abstand größte Medienhaus in der Kommunikationswelt von heute nur vereinzelt Präsenz zeigen konnte. Die künftigen Rahmenbedingungen erlauben, dass der ORF in seinem Mediaplayer ein werbefreies Kinderportal anbietet, das auch wirklich 24/7 abrufbar ist und nicht nur zum Ausstrahlungstermin zu Randzeiten gesehen werden kann; oder dass die Erfolgsgeschichte der „ZiB 100“ auf Instagram fortgesetzt und ähnliche journalistisch seriöse und trotzdem für junge Altersgruppen attraktive Formate für die Social-Media-Welt entstehen. Denn in Zeiten von Fake News, „ChatGPT“ oder Deepfakes ist die Versorgung mit sicheren und geprüften Informationen für den Weiterbestand der Demokratie eine conditio sine qua non. Öffentlich-rechtlicher Qualitätsjournalismus nach dem Vorbild der BBC, der ARD oder auch des ORF ist ein Lebensmittel für Hirn und Seele. So wie das der ORF ja mit Ö1 als dem vielleicht besten Kulturradioprogramm der Welt oder mit TV-Formaten wie „Report“, „Mayrs Magazin“, „ZiB 2“ oder fiktionalen Programmen wie „Tatort“ oder „Landkrimis“ – trotz aller berechtigter Kritik am Programm – nach wie vor beweist. Schade am neuen ORF-Gesetz ist allerdings, wie viele andere brennende Reformfragen des ORF vom Gesetzgeber dabei nicht behandelt wurden: Die Zusammenstellung der ORF-Gremien stammt in weiten Teilen immer noch aus der Kreisky-Zeit. Der damalige SPÖ-Kanzler wollte seinerzeit den „bürgerlichen“ Generalintendanten Gerd Bacher stürzen, und so wurde in einer ORF-Reform beschlossen, dass es in den Aufsichtsgremien des ORF überproportional viele Vertreterinnen gibt, die von der Regierung nominiert werden. Anders als etwa im Nationalrat kann die Kanzlerpartei, wie derzeit die ÖVP, in den ORF-Gremien sogar ohne Koalitionspartnerin die absolute Mehrheit der Stimmberechtigten stellen. Budget, Personal, aber auch Strategiefragen werden dementsprechend im ORF seit Jahren federführend und praktisch im Alleingang von der ÖVP bestimmt. Beschwerden des Landes Burgenland oder auch des Presseclubs Concordia zur Zusammenstellung der ORF-Gremien werden dieser Tage beim Verfassungsgerichtshof behandelt. Es wäre naheliegend gewesen, das neue ORF-Gesetz auch dazu zu nützen, die Gremien demokratischer aufzustellen. In einem neuen Mediengesetz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätte die Politik die grundsätzlichen Aufgaben und eine zeitgemäße Ausrichtung des ORF formulieren können:

• Warum wird der ORF nicht dazu aufgefordert, sämtliche redaktionellen Arbeiten immer nur von ausgebildeten Journalist(inn)en durchführen zu lassen?

• Warum werden die Landesstudios nicht verpflichtet, mit den Bildungseinrichtungen an Projekten zur Medienkompetenz in Schulen zu arbeiten?

• Warum werden die ORF-Verantwortlichen vom Gesetzgeber nicht daran erinnert, dass man in Österreich auch in Europa zu Hause ist – ein Aufruf zu europäischen Projekten als Alternative zu den Mediengiganten aus den USA und aus China tut not.

• Warum wird der ORF nicht dazu aufgefordert, bearbeitetes oder generiertes (zum Beispiel mittels KI) Material sichtbar zu kennzeichnen und generell nur eingeschränkt zu verwenden, um die unreflektierte Verwendung von Deepfakes etc. einzuschränken?

• Warum übernimmt der „staatsnahe“ ORF Aufgaben, die auch die Privaten gut leisten könnten? Kein österreichisches Privatmedium könnte ein Korrespondent(inn)ennetz wie der ORF finanzieren, aber viele Private können kommerzialisierten Sport wie Formel-1-Rennen übertragen.

Diese Liste lässt sich fortsetzen. Das neue ORF-Gesetz ist dementsprechend allenfalls ein erster kleiner Schritt. Die rasante Entwicklung der Medienwelt bedingt viele nächste Schritte. Schon deshalb, weil das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem eine der wesentlichen Säulen der liberalen Demokratie darstellt. Es ist kein Zufall, dass es öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Diktaturen eben nicht gibt. PS: Der ORF sollte sich beim künftigen digitalen Angebot vor allem auf den Mediaplayer und damit auf seine Stammkompetenzen Video und Audio konzentrieren. Die „blaue Seite“ (orf.at) und deren Print anmutende Angebote dagegen sollten nicht nur reduziert, sondern ersatzlos gestrichen werden. Nicht zuletzt, damit die Onlineangebote der Privatmedien mehr „Luft zum Atmen“ hätten.

Zurück
Zurück

Tage der psychischen Gesundheit am Gymnasium Zwettl

Weiter
Weiter

“mental health days” am Wiener Schottengymnasium