Fachtagung Suizidprävention "Einsamkeit und Suizidgedanken"

Wie mit dem seelischen Schmerz umgehen?

Nachbericht der Fachtagung Suizidprävention "Lasst uns reden" über Einsamkeit und Suizidgedanken am 6.9.2023, 14:00-17:00 Uhr

Anlässlich des Weltsuizidtages am 10.9.2023 fand am 6.9.2023 im OÖ Nachrichtenforum Linz die Fachtagung zum Thema Suizidprävention und Einsamkeit statt. 260 Multiplikator:innen aus Beratung, Therapie und Seelsorge nahmen an der Hybridveranstaltung teil (ca. die Hälfte ONLINE).

„Wir haben in der Familie nicht über Gefühle gesprochen, nicht auf der Ebene, wie es mein Sohn gebraucht hätte“, meinte Goli Marboe bei der Podiumsdiskussion. Der Journalist und Autor erzählte aus der Perspektive eines betroffenen Vaters, dessen Sohn sich mit 29 Jahren das Leben nahm.

 

„Einsamkeit wird wie körperlicher Schmerz in einem Teil des Gehirns, dem anterioren zirkulären Kortex, erlebt und spielt bei der Entstehung von Suizidgedanken eine große Rolle“, so Primar Dr. Christian Jagsch, einer der Hauptreferenten. „Jeder Mensch läuft dem Thema Einsamkeit ein bisschen davon.“

Wenn Menschen sich einsam fühlen, fehlt ihnen das Empfinden der Verbundenheit mit Menschen. Sie erleben sich getrennt von anderen. Das kann auf persönlicher Ebene emotional erlebt werden, aber auch in einer Gruppe oder ausgeschlossen von der ganzen Gesellschaft.

„Menschen können sich auch einsam fühlen, wenn und obwohl sie mit anderen zusammen sind“, so Assoc.-Prof. PD. Dr. Thomas Niederkrotenthaler, der an der Med. Universität Wien zum Thema Suizidprävention forscht.

ÖA Dr. Katharina Raninger von der Ambulanz für Psychotherapie des Neuromed Campus meinte: „Besonders wichtig ist es, da zu sein und zu reden, wenn jemand Suizidgedanken äußert. Einfach darauf anreden und fragen, wie es dem Menschen geht und ob er*sie über seine/ihre Gedanken reden möchte. Mitfühlen und ernst nehmen. Das Herbeiholen von professionellen Helfer:innen ist zweitrangig. Zuerst dem Menschen signalisieren: Ich bin da.“

 

Es sei ohnehin schwierig, dass Menschen Suizidgedanken äußern. Sie möchten diese Schwere niemandem zumuten. Aus diesem Grund könne jedes tiefgehende Gespräch eine große Entlastung darstellen.

Gesellschaftliche Faktoren spielen bei der Entstehung von Suizidgedanken eine relativ große Rolle: hohe Leistungsansprüche, der Klimawandel, Diskriminierung (z.B. die öffentliche Diskussion, was normal oder nicht normal sei in einer Gesellschaft). „Alles, was existenziell Angst macht, kann Suizidgedanken auslösen bzw. vermehren“, meinte Dr. Niederkrotenthaler.

Die Suizidrate sei im ersten Jahr der Pandemie leicht gesunken und von 2022 auf 2023 relativ stark gestiegen. Besonders betroffen davon waren ältere Menschen ab 65 und jüngere Menschen von 15-29 Jahren.

Ein Problem sei, dass sich junge Menschen eher selten therapeutische Hilfe suchen (nur 38%). In erster Linie suchten diese das Gespräch bei Freund:innen und in der Familie.

 

Ältere Menschen müssten häufig Verluste erleiden (Angehörige oder Freunde sterben, Pensionsschock u.a). Zudem werde in der Gesellschaft das Potential der älteren Menschen eher abgewertet.

Gruppenangebote und Treffpunkte für ältere Menschen wurden während der Pandemie stark heruntergefahren.

„Es ist nicht leicht für viele Menschen, wieder den Anschluss zu den Gruppen zu finden. Es macht einfach Angst, zu wissen, es könnten andere Menschen in der Gruppe sein, die ich nicht kenne. Neuanfang erzeugt in uns allen Unsicherheit“, so Dr. Katharina Raninger.

 

Menschen bräuchten manchmal auch die Erinnerung und Ermutigung, wieder zu den gemeinschaftlichen Angeboten zu gehen. „Notfalls beim ersten Mal einfach mitgehen und begleiten“, meinte Frau Dr. Raninger.

Die Entscheidung für einen Suizid entstehe nicht von heute auf morgen. Viele Menschen haben einmal oder ein paar Mal in ihrem Leben Suizidgedanken.

Es gebe viele Möglichkeiten zu intervenieren und Beziehung anzubieten. „Die Telefonseelsorge und die Familienberatung von BEZIEHUNGLEBEN.AT bieten gute Möglichkeiten für tiefgehende Gespräche, in denen sich Menschen wirklich verstanden und aufgehoben fühlen“, meinte Frau. Mag. Silvia Breitwieser, die Leiterin der Telefonseelsorge OÖ.

 

Goli Marboe sagte zum Schluss: „Es wäre wichtig, dass in den Medien und öffentlich viel mehr Bewältigungsgeschichten kommuniziert werden! Gerade junge Menschen brauchen Ideen und Bilder, wie man Krisen bewältigen kann. Ich wünsche mir von den Medien, dass sie nicht nur über Dramen schreiben, sondern über positive Geschichten, wie das Leben und Krisen bewältigt werden können.“

 

Ein Video zum Thema finden Sie hier. 

 

 

Begleitung im Krisenfall

  • Telefonseelsorge rund um die Uhr (Telefonnummer 142 aus ganz Österreich)

  • Familienberatung von BEZIEHUNGLEBEN.AT an 26 Beratungsstellen in OÖ. Telefonische Anmeldung unter der Linzer Nummer 0732 773676.

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