Ein Vater trauert um seinen Sohn

Ein Vater trauert um seinen Sohn

In seinem Buch "Notizen an Tobias" macht sich der Journalist Golli Marboe Gedanken um den Freitod seines Sohnes. Der Autor will Präventionsarbeit leisten und das Thema Suizid enttabuisieren.

Artikel von Barbara Schuster, Erstveröffentlichung: meinbezirk.at am 10. September 2021

Der Journalist Golli Marboe bei der Buchpräsentation von "Notizen an Tobias" im Wiener Schottenstift. Foto: © Barbara Schuster

WIEN. Heute, 10. September, ist Welttag der Suizidprävention. Drei bis vier Menschen nehmen sich täglich in Österreich das Leben. Suizid ist bis heute ein Tabuthema. Der Journalist Golli Marboe geht mit dem Thema offen um. Ihm ist das wohl Schlimmste passiert, was Eltern passieren kann: sein Sohn nahm sich das Leben.

Nach der Tat begann Marboe Tagebuch zu führen. Und in weiterer Folge öffentlich über die psychische Probleme und den Suizid seines Sohnes Tobias zu sprechen. "Viele haben mir von ihren eigenen Suizidgedanken oder vom Suizid eines Angehörigen erzählen. Und alle sagten dann das gleiche: 'Aber bitte sag es niemandem'". 

Umgekehrter Werther-Effekt

Foto: © Barbara Schuster

Das Tabuthema Freitod ist auch bei Medien umstritten, wie Marboe als Journalist selbst weiß. Doch bevor Marboe mit seinem Buch an die Öffentlichkeit ging, recherchierte er. Der so genannte "Papageno-Effekt" bedeutet, dass Erzählen, Schreiben und Reden Suizide verhindern kann, wie Studien gezeigt haben. Es ist also ein umgekehrter Werther-Effekt.

Und genau das tut Marboe jetzt. Viele Menschen sind zu seiner Lesung ins Schottenstift in der Wiener Innenstadt gekommen. Abt Nikolaus Poch führt umsichtig an das Thema heran. Der Abt erzählt, wie er vom Team der Seelsorge angerufen und zu einer Familie gebeten wird. Der Sohn der Familie habe Suizid begangen, die Familie habe um Beistand gebeten.

Die Frage nach der Mitschuld

Abt Nikolaus und Golli Marboe kennen sich schon seit ihrer Schulzeit. Leichter hat es das für den Abt nicht gemacht. Im Gegenteil, "es war schwieriger, weil ich ja auch selbst betroffen war", erzählt der Abt. Für die Familie beginnt die Zeit der Aufarbeitung, des "Verstehen wollens".

In seinem Buch "Notizen an Tobias" beschreibt Marboe, wie es ihm nach dem Tod seines Sohnes ging. Über die Vorwürfe, die er sich selbst macht. Die Mitschuld, die man sich unweigerlich als Eltern gibt. Über die vielen Fragen, die offen geblieben sind.  Der Journalist schreibt aber auch über viele schöne Erinnerungen.

Foto: © Barbara Schuster

Suizid enttabuisieren

Der Journalist will Suizid enttabuisieren. Die Gesellschaft trage bei Selbstmord eine Mitverantwortung, wie er sagt. "Es ist so wichtig, offen darüber zu sprechen. Auch über den gesellschaftlichen Druck, den vor allem junge Menschen immer mehr ausgesetzt sind", so Marboe.

Leser des Buches "Notizen an Tobias" erfahren viel über den freischaffenden Künstler. In dem Buch sind Werke von ihm abgedruckt und Fotos. "Das Buch ist auch von Tobias", sagt Marboe dazu. Bei der Buchpräsentation im Schottenstift wird ein Lied abgespielt, das Tobias vor rund zehn Jahren geschrieben hat – "Der einsame Astronaut". 

Hier gibt es Unterstützung

Wenn du Hilfe benötigst oder jemanden kennst, der Suizidgedanken hat, wenn dich bitte an diese Stellen:

Telefonseelsorge
Tel.: 142, täglich 0-24 Uhr
www.telefonseelsorge.at

Kriseninterventionszentrum Wien
Tel.: 01/406 95 95, Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr
www.kriseninterventionszentrum.at

Sozialpsychiatrischer Notdienst
Tel.: 01/313 30, täglich 0-24 Uhr
www.psd-wien.at

Zur Sache

Das Buch "Notizen an Tobias" ist im Residenz Verlag erschienen. 
Hardcover, 224 Seiten
ISBN: 9783701735143
24,00 Euro inkl. MwSt.

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Golli Marboe mit Altwienerschnitte

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Nach Suizid von Sohn: Papa schreibt ein Buch für ihn